Salomo Friedlaender / Mynona. 1871-1946. Ausstellungskatalog.
Berlin, Akadermie Der Künste, 1972. 22cm x 22cm. 92 nn. Seiten mit zahlreichen, teils farbigen Illustrationen. Original Paperback. Sehr guter Zustand mit nur geringen Gebrauchsspuren. Private Widmung auf dem Vorsatzblatt. / Excellent condition with only very minor signs of external wear.
Salomo Friedlaender (Namensvarianten: Salomon; Friedländer; Pseudonym: Mynona; * 4. Mai 1871 in Gollantsch bei Posen; † 9. September 1946 in Paris) war ein deutscher Philosoph und Schriftsteller und war vor allem in der literarischen Avantgarde aktiv.
Friedlaender stammte aus einer wohlsituierten Arztfamilie. Mit 23 Jahren begann er an der Universität München Medizin zu studieren, wechselte aber bald zur Zahnmedizin, die er in Berlin studierte. Dort gab er 1896 die Medizin zugunsten der Philosophie auf. Im darauffolgenden Jahr wechselte Friedlaender an die Universität Jena um Archäologie, Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte zu studieren. Dieses Studium beendete er 1902 erfolgreich mit der Promotion über Arthur Schopenhauer und Immanuel Kant. Seit 1899 fanden Begegnungen mit dem Essener Philosophen Ernst Marcus statt, dessen wichtigster Schüler er wurde.
Ab 1906 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin, wo er Freundschaften u.a. mit Martin Buber, Alfred Kubin, Gustav Landauer, Else Lasker-Schüler, Samuel Lublinski, Erich Mühsam, Ludwig Rubiner, Paul van Ostaijen und Herwarth Walden schloss. Daneben verkehrte er mit Raoul Hausmann, Hannah Höch, Ludwig Meidner und Paul Scheerbart.
Unter dem Pseudonym Mynona (″Anonym” rückwärts gelesen) debütierte Friedlaender in expressionistischen Zeitschriften, wie Der Sturm, Die Aktion, der Jugend oder den Weißen Blättern. 1919 gründete er zusammen mit Anselm Ruest ebenfalls in Berlin den Stirner-Bund und die nach Stirners Hauptwerk Der Einzige und sein Eigentum benannte Zeitschrift Der Einzige.
Die Texte Friedlaenders kombinieren expressionistische und dadaistische Elemente mit den Formen der Groteske und Parodie, wodurch er der literarischen Avantgarde neue Impulse verlieh. Viele seiner Texte beinhalten überdies scharfzüngige Gesellschaftskritik. Er selbst sah sich als eine Synthese von Immanuel Kant und Charlie Chaplin.
In Graue Magie (1922) geht es um die “heraufgrauende Magie der Zukunft”, die weder Gott (Weiß) noch Teufel (Schwarz) nötig hat, ein Verschieben von Gedanken. Die Magie der Vernunft soll das Leben zum Besseren wenden. Was hier geheimnisvoll verpackt wird, erinnert an die Äthertheorie Kants und die Theorie der natürlichen Magie Ernst Marcus’. Sie werden vorgestellt in einer Mischung aus Science-fiction, Groteske, Märchen und Krimi. Der “Berliner Nachschlüsselroman” (Untertitel) spielt im Alltag der Weimarer Republik und macht bekannte Persönlichkeiten der Zwanziger Jahre, wie Hinrichsen (Hellseher Hanussen) oder Kassandrus (Geschichtsphilosoph Oswald Spengler) zu Romanfiguren. Humorige Helden dieses Buches sind der Philosoph Sucram (Marcus) und sein Gegenspieler Morvitius, der Verbrecher, der immer davonkommt. Sie verkörpern die (vergebliche ?) Suche nach einer verbindenden Moral in einer neuen Welt. Damit verwebt der Roman technische Aspekte seiner Entstehungszeit, wie den industriellen Aufbruch, den frühen Film, Radio und Telefon. Er bietet eine (von heute gesehen) realitätsnahe Zukunftsschau, in der bereits Skepsis gegenüber dem Industriezeitalter anklingt. Graue Magie bietet weise-skurrile Texte.
1929 sah sich „Mynona“ durch den Erfolg von Erich Maria Remarques Kriegsroman Im Westen nichts Neues dazu bemüßigt, das Vorleben des berühmt gewordenen Autors unter die Lupe zu nehmen. Mit dem Buch Hat Erich Maria Remarque wirklich gelebt? zog er sich jedoch den geballten Zorn eines Kurt Tucholsky zu. Dieser rügte Friedlaender für diese Pseudo-Demaskierung Remarques scharf:
Die spezifisch deutsche Widerwärtigkeit, die die Luft unserer Politik so verpestet, weht durch dieses Buch Mynonas. Hierzulande werden Einwände damit erwidert, daß man sagt: der Einwendende habe einen roten Bart und eine verstopfte Schwiegermutter. Statt Breitscheid und Hilferding als geistige Typen zu verhöhnen und zu bekämpfen, wird argumentiert: „Und dann hat sich Breitscheid im Jahre 1897 eine Goldplombe machen lassen, aber nur für Amalgam bezahlt!“ Anathema sit.
(Ignaz Wrobel: “Hat Mynona wirklich gelebt?”, in: Die Weltbühne, 31. Dezember 1929, S. 15f.)
Tucholsky lehnte es anschließend ab, eine Replik Friedlaenders in der Weltbühne abzudrucken. Dieser erinnerte sich wenige Jahre später wie folgt an die Episode:
Selbstverständlich hatte ich dadurch ‘viel Ehr’, nämlich ‘viel Feind’. Ein damals berühmter Journalist, der später durch Selbstmord endete, mordete mich in seiner ‘Weltbühne’. Wie die gebildete Welt nun einmal ist, gab sie mich ihm preis.
(Ich (1871-1936) : Autobiographische Skizze (aus dem Nachlass), Bielefeld 2003, S. 90f.)
Wenige Wochen nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten emigrierte Friedlaender nach Paris. Dort starb er verarmt im Alter von 75 Jahren am 9. September 1946.
Der Nachlass Friedlaenders befindet sich in der Akademie der Künste in Berlin. Nachlassverwalter und Rechteinhaber ist Hartmut Geerken, der auch die „Gesammelten Schriften“ Friedlaenders herausgibt. (Wikipedia)
EUR 78,--
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